Personalshopper. Personalshopper Sonja Grau weiß, warum Napoleon die Nase rümpft. Gerade, weil man auch in Quarantäne auf keinen Fall den Humor verlieren darf erhielt die Personalshopperin Sonja Grau eine „Geschichte zum Schmunzeln“. Von keinem Anderen als dem Autor Hermann Severin, welcher die Stilexpertin bereits vor längerer Zeit zur Romanfigur in seinen beiden Krimiromanen „Heuschreckentanz“ und „Donaublut“ machte. Der Presse sagte er seinerzeit auf eine Frage schmunzelnd: „Als interessanter Typ mit individueller Ausstrahlung ist mir Sonja Grau immer wieder aufgefallen, wenn ich Sätze formend und Gedanken sortierend im Café saß und sie ihren Trolley hinter sich herziehend durch die Stadt eilte. Ich musste dieses Solitärgewächs einfach einbauen“.
Heute erhielt sie vom Autor nachfolgende Geschichte ins home-office, damit auch sie die „Ohren weiterhin steif halten soll“ – was ihm auf alle Fälle gelungen ist! Die Personalshopperin musste schmunzeln als sie las, wie stilvoll Napoleon gekleidet war und in welch schlampigem Home-Office-Dress ihm wohl der Autor gegenüber stand. Jüngst erschien in der Augsburger Allgemeine Zeitung ein Bericht „Kleidung in der Corona-Krise: „Bloß nicht schlampig“.
Dieser Tage wird das neue Buch von Hermann Severin „Hazaraküken“ veröffentlicht werden.
Foto: Sonja Grau und der Autor Hermann Severin

Napoleon macht Rast in Oberelchingen
Nach zwei Wochen verschärfter Quarantäne – ich gehöre zu der Risikogruppe, über die gefühllose Zeitgenossen urteilen, das Corona-verursachte Dahinscheiden sei lediglich ein Akt überholender Kausalität – stellte ich mit Besorgnis fest, dass die Verhältniszahl voller zu leerer Weinflaschen in meinem Keller signifikant sank. Ich saß also in meinem Sorgenstuhl und suchte nach einer Lösung, als ich von der Straße her ein Geräusch hörte, als würde sich ein Reiter meiner Haustür nähern. Der sinkende Lärmpegel während dieser erzwungenen Ruhe war meinem geschwächten Gehör entgegengekommen. In normalen Zeiten hätte ich dieses Hufgetrappel überhört, wenn ich mit der Lösung eines wichtigen Problems beschäftigt gewesen wäre. In diesen stillen Tagen riss mich das Geräusch aus meinen Gedanken. Ich wuchtete mich leichtherzig hoch, denn wegen der allgegenwärtigen Pandemie erschien mir die Adipositas, die mich seit Jahren bedrückte, nicht der Rede wert.
Vom Fenster aus sah ich ein weißes Pferd und im Sattel einen Mann in der Kleidung Napoleons, wie er auf unzähligen Gemälden verewigt ist. Offensichtlich hat mich der Quarantänekoller erfasst, dachte ich, sah, wie der Reiter abstieg, die Zügel über die die Pferdeohren schob und sie locker zu Boden fallen ließ. Dann hörte ich die Klingel im Hausflur.
„Wasser für Marengo und Wein für den Kaiser“, herrschte er mich an, als ich ihn fragend ansah. Zunächst war ich verblüfft, doch dann entschloss ich mich, die Farce mitzuspielen, brachte dem Schimmelhengst einen Eimer mit Wasser und holte Wein aus dem Keller. Zwischenzeitlich hatte der Kaiser meinen Platz im Ohrensessel eingenommen. Selbst in makellose Uniform gewandet musterte er naserümpfend meine vernachlässigte Home-Office-Erscheinung und nahm mir die Flasche aus der Hand.
„Als ich das letzte Mal hier war, habe ich die Pferde in der Kirche da oben getränkt. Ich erinnere mich. Schöner Raum. Salon du Bon Dieu habe ich ihn damals genannt. Leider ist das Tor verschlossen. Ganz Europa hat Angst vor einem Virus, das sie auch noch Corona nennen, und versperren sogar die Kirchen. Der Platz davor ist seit meinem letzten Besuch deutlich verbessert. Man kann eine Parade abnehmen. Eine Straße habt ihr nach dem Tapfersten der Tapferen benannt. Deshalb bin ich hier.“
„Wenn Sie nun schon einmal da sind, Majestät, darf ich eine Frage stellen, die mir auf den Nägeln brennt?“
„Ich habe den Sarkophag verlassen und Marengo bestiegen, weil mein Präsident den Krieg ausgerufen hat. Ich bin Patriot“, antwortete der Kaiser, ohne meine Frage abzuwarten.
„Das meine ich nicht“, warf ich ein.
„Fragen Sie, aber kurz und knapp. Ich habe nicht viel Zeit.“
„Ich habe Ihr Leben studiert und nie begriffen, warum Sie nach Austerlitz den Krieg nicht beendet haben. Sie hatten ihn doch mit der Schlacht von Elchingen bereits gewonnen.“
Zwischen den kaiserlichen Augen zeigte sich eine steile Falte. Energisch wischte er seine Locke aus der Stirn.
„Spätestens nach dem Frieden von Tilsit“, schob ich eingeschüchtert nach.
„Wollte ich doch“, brauste er auf. „Habe mich von meiner geliebten Josephine scheiden lassen und diese langweilige Marie-Louise geheiratet. Nur wegen einer Dynastie. Verdammte Habsburger. Hat ja auch geklappt mit einem Sohn. Das war mein Friedensangebot. Aber was sollte ich denn dann noch? Ich musste raus! Ganz Europa hat nach mir gerufen. Die Leute warteten auf Freiheit, besonders die Polen.“
„Ja, ja“, grinste ich unpassend, „die Freiheit hat einen Namen: Maria Walewska.“
„Die Menschen neigen dazu, alles schlecht zu reden. Sie wissen nicht, was wichtig und was unwichtig ist und außerdem mischen sie sich in Sachen ein, die sie nicht verstehen. Verstehen Sie etwas vom Krieg und den Frauen?“
Ich sah seinen strengen Blick auf mich gerichtet und schaute etwas unsicher nach meinem Hund, der sich unter den Tisch verkrochen hatte.
Der Kaiser nahm die Weinflasche, schüttete den Rest in sein Glas und leerte es in einem Zug.
„Nehmen Sie dieses Virus nicht auf die leichte Schulter“, sagte er. „Mein Russlandfeldzug ist am Läusefieber und Leipzig an der Typhus-Epidemie gescheitert.“
Ich hatte das zwar etwas anders gelesen, schwieg aber zu der kaiserlichen Interpretation.
Er sah sich um und entdeckte mein Handy neben dem Weinglas.
„Darf ich telefonieren“, fragte er unerwartet höflich.
Ich reichte ihm das Telefon.
Er betrachtete es interessiert, tippte eine lange Zahlenreihe und wartete geduldig.
„Hallo Maria, mon Impératrice, wasche nur noch deine Hände. Ich komme in drei Tagen“, sagte er mit weicher Stimme und beendete das Telefonat.
An der Tür wandte er sich zu mir um.
„Es ist ein Unglück, dass man durch Deutschland reiten muss, wenn man nach Polen will“, erklärte er sein Kommen. „Leipzig, dieses Typhusloch, will ich nicht mehr sehen, aber in Jena und Auerstedt werde ich eine Rast einlegen“, fügte er hinzu und gab Marengo die Sporen.
Ich ging mit der leeren Flasche in den Keller, tauschte sie gegen eine volle aus und begann über diesen Besuch nachzudenken. So eine Ausgangsbeschränkung für die Richtigen zur rechten Zeit. Man stelle sich vor, Napoleon hätte seine Wohnung nicht verlassen dürfen und sich mit Josephine beschäftigen müssen. Was wäre ihm und uns nicht alles erspart geblieben!? Bayerns Grenze läge am Ostufer des Lechs und nicht der Iller, Augsburg und Ulm wären freie Reichsstätte, Neu- Ulm gäbe es nicht, Günzburg wäre die Landeshauptstadt von Vorderösterreich und die Reichsabtei Elchingen die reichste und mächtigste weit und breit. Die nächsten Wochen werde ich Gelegenheit haben, ungestört darüber nachzudenken.
Hermann Severin,
Neystraße 29, 89275 Oberelchingen, rahuberm@aol.com